Zu Fuß in den Iran

Shownotes

„Dazwischen ist aber noch etwas ganz Entscheidendes passiert. Ich habe fünf Konzerte organisiert und dann wussten es auch wirklich alle in der Stadt. Die Polizei, die Staatssicherheit und die Partei, die wollten alle nicht, dass dieses Gesindel, was wir in ihren Augen waren, eine öffentliche Wahrnehmung bekommt, und eben die Clubs unterläuft. Und deswegen wollten die mich weghaben, die wussten nur nicht so schnell wie. Und ich habe ihnen selber eine Angriffsfläche geboten…“

Wenn die 1100 km lange Gebirgskette des Kaukasus auf einer Landkarte nur ca. 10 cm groß abgebildet wird, erscheint einem die Flucht durch das teilweise mehr als 5000m hohe Gebirge erst einmal als nicht besonders schwierig. Anders sieht es aus, wenn man es dann tatsächlich dorthin geschafft hat. Warum Anne und Tim, das Land in welchem sie aufgewachsen sind, endgültig verlassen wollten, und was das Ministerium für Staatssicherheit damit zu tun hat, das erfahrt ihr in Folge 3 unserer spannenden Podcast-Reihe „Republikflucht“.

Nach dem Niedergang des Faschismus im Jahr 1945 gründeten sich im Jahr 1949 aus den Besatzungszonen der vier Siegermächte zwei deutsche Staaten: die Bundesrepublik Deutschland als eine parlamentarischen Demokratie und die Deutsche Demokratische Republik als eine sozialistische Diktatur unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Die Trennung Deutschlands war für alle hier lebenden Menschen eine besonders schwierige Situation. Die Sicherungsmaßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Bundesrepublik und der DDR wurden bereits ab 1952 immer weiter verschärft und um eine Sperrzone, einen Kontrollstreifen und ein 5 km breites Sperrgebiet erweitert. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 wurde die gesamte innerdeutsche Grenze mit elektrischen Stacheldrahtzäunen, Wachtürmen und Selbstschussanlagen gesichert und nahezu unüberwindbar gemacht. Die Grenzsoldaten der DDR haben den Befehl, auf Flüchtende zu schießen. Weit über 100 000 Bürger der DDR versuchten, zwischen 1961 und 1988 über die innerdeutsche Grenze oder über die Berliner Mauer zu fliehen. Mehr als 600 von ihnen wurden zwischen 1961 und 1989 von Grenzsoldaten der DDR erschossen oder starben bei Fluchtversuchen. Zwischen 1961 und 1989 gab es deshalb geschätzte 4500 Versuche, das Land über die Grenzen von Drittländern wie Ungarn, Rumänien und Bulgarien zu verlassen, man hoffte, dass die Grenzanlagen dort nicht so gut gefestigt waren. Dass auch an den Außengrenzen des Ostblocks sehr gut gesicherte Grenzen vorhanden waren und ein besonders strenger Schießbefehl umgesetzt wurde, wussten die wenigsten.

Anne Hahn, Jahrgang 1966, versuchte im Jahr 1989 mit einem Freund wagemutig die Flucht über Aserbaidschan in den Iran. Es blieb beim Versuch; die Grenze war ebenso gut gesichert wie die innerdeutsche Grenze, die beiden wurden erwischt, verhaftet und verurteilt. Anne gehörte zu den geschätzten 180.000 - 200.000 Inhaftierten, die entweder wegen Republikflucht oder anderer politischer Verurteilungen in den DDR-Gefängnissen saßen. Sie kam im November 1989 nach der Maueröffnung aufgrund einer Amnestie frei.

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