Flucht über die bulgarische Grenze
Shownotes
„Und deswegen habe ich dann vorgeschlagen, ich könne doch an der Seite der Straße durchs Gebüsch robben, dann bin wenigstens ich schon mal da. Aber meine Eltern – der Golf war ein Dreitürer, und ich saß hinten - haben mich dann nicht mehr aus dem Auto raus gelassen, weil sie Angst um mich hatten. Und wie sich herausgestellt hat, wäre ich vermutlich tatsächlich erschossen worden oder auf eine Mine getreten. Also auf jeden Fall gab es Kopfgeld für jeden erschossenen Flüchtling an der bulgarischen Grenze. Wie lebensgefährlich das gewesen wäre, habe ich aber erst viel später erfahren …“
Es war wirklich alles perfekt vorbereitet. Vom Kuscheltier auf der Hutablage des VW-Golf, bis zur Zahnpasta im Kulturbeutel, sogar die Pässe waren aus der BRD und echt, dann konnte ja eigentlich nichts schiefgehen bei ihrer Ausreise aus Bulgarien. Petra war 20 Jahre jung, als sie 1982 mit ihren Eltern im Auto über die bulgarische Grenze illegal den Ostblock, und damit die DDR verlassen wollte. Warum Petra und ihre Familie in jener Nacht am Grenzübergang nach Griechenland trotzdem nicht ausreisen durften, sondern stundenlang durchsucht und dann festgenommen wurden, und welche Strapazen ab dann erst richtig losgingen, das erfahrt ihr in Folge 2 unserer spannenden Podcast-Reihe „Republikflucht“.
Nach dem Niedergang des Faschismus im Jahr 1945 gründeten sich im Jahr 1949 aus den Besatzungszonen der vier Siegermächte zwei deutsche Staaten: die Bundesrepublik Deutschland als eine parlamentarischen Demokratie und die Deutsche Demokratische Republik als eine sozialistische Diktatur unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Die Trennung Deutschlands war für alle hier lebenden Menschen eine besonders schwierige Situation. Die Sicherungsmaßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Bundesrepublik und der DDR wurden bereits ab 1952 immer weiter verschärft und um eine Sperrzone, einen Kontrollstreifen und ein 5 km breites Sperrgebiet erweitert. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 wurde die gesamte innerdeutsche Grenze mit elektrischen Stacheldrahtzäunen, Wachtürmen und Selbstschussanlagen gesichert und nahezu unüberwindbar gemacht. Die Grenzsoldaten der DDR haben den Befehl, auf Flüchtende zu schießen. Weit über 100 000 Bürger der DDR versuchten, zwischen 1961 und 1988 über die innerdeutsche Grenze oder über die Berliner Mauer zu fliehen. Mehr als 600 von ihnen wurden zwischen 1961 und 1989 von Grenzsoldaten der DDR erschossen oder starben bei Fluchtversuchen. Zwischen 1961 und 1989 gab es deshalb geschätzte 4500 Versuche, das Land über die Grenzen von Drittländern wie Ungarn, Rumänien und Bulgarien zu verlassen, man hoffte, dass die Grenzanlagen dort nicht so gut gefestigt waren. Dass auch an den Außengrenzen des Ostblocks sehr gut gesicherte Grenzen vorhanden waren und ein besonders strenger Schießbefehl umgesetzt wurde, wussten die wenigsten.
Petra Othmerding, Jahrgang 1962, versuchte im Jahr 1982 die Flucht über eine Außengrenze und scheiterte. Sie gehört zu den 33.755 politischen Häftlingen, welche wegen Republikflucht oder Fluchthilfe in DDR-Gefängnissen inhaftiert waren und zwischen 1964 und 1989 für mehr als 3.4 Milliarden D-Mark von der Bundesrepublik Deutschland im Zuge besonderer Bemühungen im humanitären Bereich freigekauft wurden.
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