Mit dem Surfbrett über die Ostsee

Shownotes

„Ein mich begleitendes Bild: Ich sehe mich auf dem Rügischen Bodden segeln in Wind und Wellen. Die Gischt fliegt mir ins Gesicht, ich will meine Grenzen erfahren und auch die meines Bootes. Und ich sehe die Ausfahrt zur offenen Ostsee mit dem stählernen Wachschiff der DDR-Grenztruppen. Es versperrte mir den ersehnten Weg. Um zu erfahren, wer ich wirklich bin, muss ich an meine eigenen Grenzen gehen können. Doch die DDR hatte mir ihre Grenzen bereits mit Waffengewalt gesetzt. Ich hatte nicht die Freiheit, es selbst zu tun. Und das war letztendlich der Grund für meine Flucht.“

Der 26. November 1986 sollte lediglich der „Testtag“ für die Flucht sein, die Karsten mit seinem besten Freund Dirk Deckert über mehrere Wochen und Monate vorbereitete. Sie wollten auf die Art fliehen, die sie am besten konnten. Surfen! Und gleich 70 km, das wäre in etwa die Strecke Köln – Duisburg; nur dass der Rhein kein offenes Gewässer ist wie die Ostsee. Wie die beiden jungen Männer diesen und den darauffolgenden Tag körperlich und mental überstanden haben, was alles hätte schiefgehen können und warum sie bei drei Fluchtvarianten auf ihr Bauchgefühl vertraut haben, das erfahrt ihr in Folge 1 unserer spannenden Podcast-Reihe „Republikflucht“.

Nach dem Niedergang des Faschismus im Jahr 1945 gründeten sich im Jahr 1949 aus den Besatzungszonen der vier Siegermächte zwei deutsche Staaten: die Bundesrepublik Deutschland als eine parlamentarischen Demokratie und die Deutsche Demokratische Republik als eine sozialistische Diktatur unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Die Trennung Deutschlands war für alle hier lebenden Menschen eine besonders schwierige Situation. Die Sicherungsmaßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Bundesrepublik und der DDR wurden bereits ab 1952 immer weiter verschärft und um eine Sperrzone, einen Kontrollstreifen und ein 5 km breites Sperrgebiet erweitert. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 wurde die gesamte innerdeutsche Grenze mit elektrischen Stacheldrahtzäunen, Wachtürmen und Selbstschussanlagen gesichert und nahezu unüberwindbar gemacht. Die Grenzsoldaten der DDR hatten den Befehl, auf Flüchtende zu schießen. Weit über 100 000 Bürger der DDR versuchten, zwischen 1961 und 1988 über die innerdeutsche Grenze oder über die Berliner Mauer zu fliehen. Mehr als 600 von ihnen wurden zwischen 1961 und 1989 von Grenzsoldaten der DDR erschossen oder starben bei Fluchtversuchen. Zwischen 1961 und 1989 gab es ca. 5600 Versuche, das Land über Meer zu verlassen.

Mindestens 174 Ostsee-Tote waren zu beklagen, vermutlich waren es weitaus mehr. Karsten Klünder, Jahrgang 1956, war einer von rund 900 Menschen, denen die Republikflucht aus der DDR über die Ostsee gelungen ist.

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